In einem früheren Beitrag hatte ich geschildert, wie eng Sprechen und Denken zusammenhängen und weshalb es so wichtig ist, das Sprechen einer Fremdsprache, die man erlernen will, aktiv und möglichst jeden Tag zu üben. Hier möchte ich nun darüber nachdenken, wie man das Sprechen trainieren kann.
In einer Studie zu Sprachunterricht von 2011 wurde festgestellt, dass der Lehrer etwa 70% der gesamten Redezeit übernimmt. Die restlichen 30% müssen sich die Schüler teilen. In einer Unterrichtsstunde von 45 Minuten macht das bei einer Klasse von 15 Schülern dann gerade mal 1 Minute Redezeit pro Schüler!*
Es leuchtet ein, dass niemand das Sprechen einer Fremdsprache lernen kann, wenn er es nur wenige Minuten in der Woche übt. Dem kann man entgegenhalten, dass die Schüler ja auch außerhalb des Unterrichts noch Zeit haben, im Selbststudium die Sprache zu üben.
Aber ganz davon abgesehen, dass im herkömmlichen Sprachunterricht ja vor allem schriftliche Hausaufgaben verlangt werden und dem Hören und Sprechen nur wenig Platz eingeräumt wird, ist auch der Nutzen des herkömmlichen Sprechenlernens mit einem Buch begrenzt, vor allem bei Sprachanfängern. Denn wenn diese auf sich allein gestellt versuchen, einen Text aus dem Buch zu lesen, fehlen ihnen oft die Anhaltspunkte für die richtige Aussprache – und so sprechen sie den gelesenen Text falsch aus.
Die Aussprache können insbesondere Anfänger effektiver trainieren, indem sie die korrekte Aussprache hören und sofort nachsprechen. Der Vorteil liegt darin, dass sie sich dann voll und ganz auf das Gehörte konzentrieren können, ohne sich gleichzeitig mit der speziellen Schreibweise der Sprache beschäftigen zu müssen – die je nach Sprache recht kompliziert sein kann. Ich habe es in meinen Französischkursen oft erlebt, dass Schüler einen Satz aus einem Text falsch vorlasen, aber wenn ich sie dann aufforderte, nicht mehr auf den Text zu schauen und mir nur zuzuhören und nachzusprechen, funktionierte die Aussprache sofort viel besser. Zuhören und Nachsprechen OHNE die Sätze gleichzeitig zu lesen ist und bleibt die natürlichste und einfachste Art und Weise, die richtige Aussprache einer Sprache zu lernen.
Selbstverständlich kann der Lehrer nicht immer präsent sein, um dem Schüler vorzusprechen – doch dafür gibt es ja die Möglichkeit von Tonaufnahmen. Die heute zur Verfügung stehenden technischen Mittel erlauben es auf ganz einfache Weise, die verschiedensten Sorten von gesprochenen Texten aufzunehmen und zu verbreiten.
Moderne Fremdsprachen-Lehrwerke enthalten dementsprechend heute auch meist Aufnahmen auf CD oder online, damit die Schüler auch das Hören und Sprechen lernen. Und auch andere Möglichkeiten, die Fremdsprache zu hören, stehen heute in Form von Podcasts, Internetradio, Videos oder ähnlichem jedem in Hülle und Fülle zur Verfügung. Der Großteil dieser Aufnahmen ist jedoch nicht so angelegt, dass die Schüler Zeit haben, unmittelbar nachzusprechen und so direkt und aktiv die richtige Aussprache zu trainieren. Hilfreicher sind also vielmehr Aufnahmen, die genau auf diesen Zweck abzielen.
Natürlich ist einfaches Nachsprechen nicht gleichzusetzen mit freiem Sprechen. Aber es ist ein erster und ganz wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin. Welche weiteren Schritte noch auf diesem Weg liegen, darüber spreche ich in einem nächsten Beitrag.
* Brintzer et al.: DaF unterrichten. Basiswissen Didaktik Deutsch als Zweit- und Fremdsprache. Stuttgart: Ernst Klett Sprachen, 2013. S. 12